Patchwork-Familien

Im Rahmen der Jahrestagung des Bundesverbandes Katholischer Ehe-, Familien- und Le-bensberaterinnen und -berater e.V. vom 04. bis zum 07. Mai 2011 hielt Ruthard Stachowske einen Vortrag zu dem Thema Patchwork und andere Lebensformen:

„Das erwachsene Leben eines Menschen erzählt so etwas wie die Geschichte der Kindheit, die Geschichte der eigenen Herkunftsfamilie, die sich auf die eine oder andere Art in der neu gegründeten Familie wieder findet“ (Ruthard Stachowske).

Der komplexe Begriff Patchwork-Familie setzt sich aus den Einheiten Familie und Patchwork zusammen, und ist in Verbindung mit dem System der Generationen und dementsprechend auch mit der Frage, warum sich individuelles Leben und Familiensysteme auf eine bestimmte Weise entwickeln, zu betrachten.

Eine Familie ist einerseits als jener Ort zu verstehen, in dessen Rahmen Kinder aufwachsen sowie ihre Sozialisation erleben. Andererseits übernimmt dieser Ort die Vermittlung gesellschaftlicher und kultureller Aufgaben. Dementsprechend kann die Art des erwachsenen Le-bens als Reproduktion des ursprünglich Erlebten bzw. des Lebens einer Herkunftsfamilie verstanden werden. Wird diese Definition im Zusammenhang mit dem Begriff Patchwork betrachtet, werden Patchwork-Familien als neu gegründete bzw. formierte Familien verstanden, die sich aufgrund von Veränderungen (z. B. Trennungen) neu organisieren – es wird eine neue familiäre Heimat gesucht und gebildet.

Da das Beziehungsverhältnis zwischen Elternpaar und Kindern innerhalb einer Patchwork-Familie asymmetrisch ist, muss diese sich verschiedenen Herausforderungen stellen. Das sind u.a. das Miteinanderverbinden der ursprünglichen Familie mit der neuen Patchwork-Familie oder auch das Konstruieren einer familiären Heimat. Hier spielt das System der Generationen eine entscheidende Rolle:

„Im System der Partnerschaft können sich Konflikte mit der Vorgeneration und in den Vorgenerationen erlebten Beziehungskonstellationen wiederholen“ (Ruthard Stachowske).

In der Neuzeit bezieht sich der Begriff Generation auf existenzielle Erfahrungen, die Teil des Menschseins sind. Im Grunde bedeutet dies, dass bestimmte Werte und Traditionen von Generation zu Generation übertragen werden:

„Eine der wichtigen theoretischen Aussagen der Mehrgenerationen-Familientherapie ist die Annahme, dass sich in Familien über Generationen im Wesentlichen immer wieder dieselben Konflikte wiederholen, dass also ein intrafamiliärer Wiederholungszwang besteht“ (Ruthard Stachowske).

Die Eltern übertragen selbst erfahrene und nicht verarbeitete Konflikte auf ihre Kinder. Eine wichtige Annahme der Mehrgenerationen-Familientherapie ist auch, dass durch jene Übertragungsprozesse das Früher im heute wirksam ist. Dementsprechend gilt es, „die historische Entwicklung dieses Familiensystems zu verstehen“ (Ruthard Stachowske), weshalb innerhalb einer Therapie die individual-zentrierte um die mehrgenerationale Perspektive, d.h. um die Faktoren Generation, Gesellschaft und Kultur, erweitert werden sollte.

Die Mehrgenerationen-Familientherapie setzt sich dementsprechend zum Ziel, die interfamiliären Übertragungsprozesse zu erkennen, zu dechiffrieren und die übertragenen Konflikte an ihrem jeweiligen Ursprungsort in der Familiengeschichte zu bearbeiten.

„Es ist wichtig, dass diese Familiengeschichte als Wirkfaktor für jedes individuelle Leben gewürdigt wird“ (Ruthard Stachowske).

Hierfür ist es notwendig, sämtlichen Familienmitgliedern, insbesondere den Kindern, ihre jeweilige Lebens- und Familiengeschichte aufzuzeigen und ihnen darüber hinaus die Möglichkeit zu geben, sich selbst innerhalb des neuen Familiensystems zu orientieren und emotional zurechtzufinden bzw. anzukoppeln. Zum vollständigen Vortrag „Patchwork und andere Lebensformen".